Wie müssen Sie als Psychotherapeut am Telefon erreichbar sein?
Einer der heftig umstrittenen Teile der Richtlinienreform die 2017 in Kraft getreten ist, betrifft die Frage, wie Sie als Psychotherapeut am Telefon in ihrer Praxis erreichbar sein sollen. Dieser Beitrag erläutert die Fakten, erklärt, für wen diese gelten und welche Folgen sich daraus ergeben.
Wie immer gebe ich eine fachliche Bewertung dazu ab, die auf meinen Erfahrungen als Psychotherapeut und Supervisor beruht.
Psychotherapeuten mit Kassenzulassung müssen seit dem 01.04.2017 eine telefonische Erreichbarkeit ihrer Praxis für Patient*innen gewährleisten. Dies regelt §1 Abs. (8) der Psychotherapie-Richtlinie.
Niedergelassene mit einem ganzen KV-Sitz müssen dafür 200 Minuten, mit einem halben Sitz 100 Minuten pro Woche vorsehen und der Kassenärztlichen Vereinigung melden.
Diese Zeiten werden veröffentlicht. Sie legen fest, wann die/der Psychotherapeut*in oder ein*e von ihm damit Beauftragte*r persönlich ein Telefonat für diese Praxis entgegen nimmt.
Die Stückelung dieser Zeit ist zu Einheiten von mindestens 25 min möglich.
Telefonische Sprechstunde? Terminvergabe? Telefontherapie? Worum es geht.
Als einer der bedeutenden Teile der Richtlinienreform gilt die Einführung einer verpflichtenden telefonischen Erreichbarkeit für psychotherapeutische Praxen.
Dabei haben sich die Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Kostenträgern und dem Gesetzgeber auf eine einheitliche Regelung für alle Vertrags-Psychotherapeuten verständigt.
Sie soll gewährleisten, dass Patienten in angemessener Weise persönlichen Kontakt zu Psychotherapeuten oder ihrem Praxis-Personal aufnehmen können. Dabei sollen sie sich über die Möglichkeit einer Behandlung in der betreffenden Praxis informieren und gegebenenfalls einen Termin vereinbaren.
Diese Termine gelten in aller Regel dann für die psychotherapeutische Sprechstunde gelten, die in 2017 ebenfalls neu eingeführt wurde.
Patienten, die bereits eine Sprechstunde bei anderen Psychotherapeut*innen wahrgenommen haben, fragen dann jedoch auch wegen einer probatorischen Sitzung oder einer psychotherapeutischen Akutbehandlung.
In bestimmten Fällen gilt das auch für Patient*innen nach einer Klinikbehandlung.
Eine eingehende telefonische Beratung oder gar Behandlung ist dabei nicht vorgesehen. Insofern ist es auch möglich, diese Telefonzeiten durch eine damit beauftragte Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter wahrnehmen zu lassen, solange diese/r über die Telefonnummer der Praxis erreichbar ist.
Call-Center für Niedergelassene?
Das Gesetz lässt den Therapeut*innen hier einen großen Spielraum. Wer Praxis-Personal ist, wird nicht definiert. Es ist also theoretisch möglich, dass sich zukünftig Call-Center darauf spezialisieren werden, niedergelassenen Psychotherapeut*innen eine telefonische Erreichbarkeit mit Terminvergabe anzubieten.
Solange gewährleistet ist, dass diese Kommunikation nach den Vorgaben des Datenschutzes und der Schweigepflicht für Psychotherapeut*innen gehandhabt wird, steht es Ihnen frei, wie Sie sich diese Zeit organisieren.
Fachliche Bewertung
Diese Neuerung bedeutete bei allen Beteiligten gewöhnungsbedürftige Umstellungen. Die wenigsten niedergelassenen Psychotherapeuten lassen sich durch ortsansässiges Praxis-Personal vertreten. Ihre Praxen sind einfach nicht entsprechend organisiert. Heute machen die allermeisten Psychotherapeut*innen ihre Büroarbeiten alleine.
Die recht umfangreiche Zeit, in der die Praxis erreichbar sein soll, lässt jedoch auch erwarten, dass viele Kolleginnen und Kollegen nach Möglichkeiten suchen werden, um diese Zeit nicht selbst am Telefon sitzen zu müssen.
Zu viel wertvolle Zeit im persönlichen Kontakt mit Patient*innen ginge dabei verloren, wenn man bedenkt, dass 200 min., verteilt auf fünf Praxis-Werktage, einer Telefonzeit von 40 Minuten entspricht. Das ist fast eine ganze Therapeutenstunde pro Tag.
Das ist jedoch zugleich eigentlich zu kurz, um jemand für eine psychotherapeutische Praxis anzustellen. Es werden sich also alternative Lösungen bilden, die diese Dienstleistung für Niedergelassene kostengünstig anbieten werden.
Wie sich dabei jedoch der Datenschutz gewährleisten lassen soll, ist mir unklar. Selbstverständlich ist das nicht unmöglich, aber es werden mehr und mehr Regelungen notwendig sein, um dieses Angebot so organisieren zu können, dass es nicht auf Kosten der Verschwiegenheit geht.
Und genau da liegt das Problem für Patient*innen. Diese erwarten vermutlich, dass eine psychotherapeutische Praxis ähnlich organisiert ist, wie sie es vom Hausarzt kennen. Da finden viele Vorab-Gespräche oft bereits mit der Arzthelferin statt.
Dafür ist jedoch diese Sprechzeit nicht vorgesehen. Es geht ausdrücklich um die Terminvergabe, die unter berufs- und vertragsarztrechtlichen Vorgaben zu organisieren ist.
In dieser Hinsicht werden womöglich noch einige offene Fragen zu klären und Fallstricke zu erkennen und beseitigen sein, bis diese Regelung als wirklich praxistauglich erscheinen kann.