Passung in der Psychotherapie – Wie spreche ich mit Patient:innen im Erstkontakt, wenn sie fehlt?

Lesezeit: 8 min.

Passung in der Psychotherapie

Unsere Erstgespräche mit Patient:innen dienen neben der Diagnostik auch der Klärung der Frage, ob eine Psychotherapie hilfreich und Erfolg versprechend sein kann. 

Die sogenannte Passung in der Psychotherapie ist dabei eine der wesentlichen Voraussetzungen für den therapeutischen Erfolg.

Darum ist es notwendig, möglichst frühzeitig einen Eindruck davon zu gewinnen, welche Passung sich erkennen lässt.

Bei der Passung lassen sich die menschliche Passung zwischen Therapeut:in und Patient:in sowie die Passung zwischen dem Psychotherapie-Verfahren und persönlichen Aspekten der Patient:in unterscheiden.

Beide Formen der Passung sind erforderlich, damit die gemeinsame Arbeit gelingen kann. Fehlt eine der beiden Passungen, dann ist das in der Regel sehr unangenehm für beide Beteiligten, führt zu frustrierenden Behandlungsverläufen und schlechten Ergebnissen.

In diesem Beitrag beschreibe ich zunächst, was mit der jeweiligen Passung gemeint ist wie wir sie erkennen können. Anschließend empfehle ich Ihnen aufgrund meiner eigenen Erfahrungen aus meiner langjährigen Arbeit als Psychotherapeut und Supervisor, wann und wie Sie darüber mit Patient:innen sprechen können.

Zwischenmenschliche Passung in der Psychotherapie

Psychotherapie ist auf eine tragfähige Beziehung zwischen Therapeut:in und Patient:in angewiesen, damit sie zu Veränderungen führen kann. Das liegt unter anderem daran, dass sich im Laufe der Psychotherapie Widerstände gegen die Veränderung von Verhaltensweisen oder Sichtweisen bilden können, für deren Überwindung die zwischenmenschliche Unterstützung entscheidend ist. Wenn wir uns verstanden fühlen und gut aufgehoben, benennen und überwinden wir leichter Hemmungen und Ängste.

Mitunter lässt sich eine solche Passung in der Psychotherapie auch herstellen. Dem sind nach meiner Erfahrung jedoch Grenzen gesetzt. Ich habe mit der Zeit herausgefunden, dass ich besser beraten bin, wenn ich dabei meinem Gefühl folge und mein Augenmerk darauf richte, sobald da „etwas stört“ oder sich „nicht gut anfühlt“, auch wenn ich es (zunächst) nicht genauer benennen kann.

Oft lohnt es sich in diesen Fällen, ein zweites Gespräch zu planen, um herauszufinden, woran dieses Störgefühl liegen könnte. Sollte ich jedoch damit nicht erfolgreich sein, dann gehe ich davon aus, dass es (ohne genauere Kenntnis dessen, was da zwischenmenschlich unbewusst passiert) ein deutliches Signal dafür ist, dass ich dieser Patient:in keine Behandlung anbiete.

In diesem Beitrag möchte ich den Fokus auf die zwischenmenschliche Passung legen und mich dabei mit der Frage einer Nutzerin des Nachfragewerks befassen, wie sie mit Patient:innen umgehen kann, bei denen sich bereits im Erstkontakt herausstellt, dass diese Passung nicht gegeben ist.

Passung des psychotherapeutischen Verfahrens

In der Arbeit mit Patient:innen bedienen wir uns je nach dem therapeutischen Verfahren zumeist unterschiedlicher Gesprächstechniken. Wir lenken unsere Aufmerksamkeit mehr auf die gesamte Breite des Geschehens oder auf mehr oder weniger engere Ausschnitte der Fragen und Sorgen, die unsere Patient:innen mit in die therapeutische Sitzung bringen.

Dabei gibt es eine grundsätzliche und aus meiner Sicht sehr hilfreiche Unterscheidung, die über die verschiedenen Verfahren hinweg leichter entscheiden lässt, was wir im jeweiligen Fall empfehlen oder wovon wir tendenziell abraten können.

Diese Unterscheidung fand sich in einer Arbeit zum Widerstand in der Psychotherapie (Beutler et al.: Resistance in Psychotherapie: what conclusions are supported by research, Journal of Clinical Psychology 10/2002), bei der die Auswirkungen von internalisierendem vs. externalisierendem Verhalten untersucht wurden.

Bei eher internalisierenden Patient:innen, die z.B. zu Selbstkritik neigen, im Kontakt eher schüchtern wirken, zu Überregulation ihrer Gefühle neigen und im Verhalten gehemmter wirken, fanden die Autoren eine positive Korrelation mit eher einsichtsorientierten und auf Interaktion in der Beziehungsgestaltung fokussierten Therapieverfahren, wie zum Beispiel die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie oder die analytische Psychotherapie, aber auch Psychodrama.

Patient:innen, die zu eher externalisiertem Verhalten neigen und dabei z.B. handlungsorientiert, eher impulsiv bis aggressiv wirken, wenig introspektionsfähig und vor allem auf äußere Reize ausgerichtet sind, fand sich eine bessere Wirksamkeit von direktiveren, strukturierten Therapieverfahren, die zudem auf die Symptomkorrektur und die Ausbildung bestimmter Fertigkeiten fokussieren, wie die klassische kognitiv-behaviorale Psychotherapie.

Dieser Versuch einer Zuordnung soll uns hier im Detail nicht weiter interessieren, sondern eine Vorstellung davon vermitteln, welche Rolle die therapeutische Richtung bei grundsätzlich vergleichbarer Wirksamkeit hinsichtlich ihres Einsatzes bei verschiedenen Menschen spielen kann.

Begrenzte Ressourcen machen Selektion erforderlich

Ob wir es wollen oder nicht: Wir müssen uns entscheiden. Entweder richten wir unsere Wahl nach bewusst gesetzten, eigenen Kriterien, die sich dann auch kommunizieren lassen, oder wir nehmen es hin, dass wir uns von anderen Umständen (zeitlichen Gründen, schlechtes Gewissen, Mitleid, gesundheitlicher Belastung) mehr und mehr in der Auswahl unserer Patient:innen geleitet fühlen.

Ich empfehle Ihnen sehr, sich für Ersteres stark zu machen, und sich Ihre eigenen Kriterien zu schaffen, nach denen Sie bewusst entscheiden, ob Sie eine Behandlung übernehmen wollen oder nicht.

Doch dann taucht die Frage auf, wie wir den Patient:innen möglichst frühzeitig und wertschätzend vermitteln können, wenn wir uns dagegen entschieden haben, ihnen eine Behandlung anzubieten.

Meine persönlichen Erfahrungen im Umgang mit fehlender Passung und Empfehlungen zur Handhabung von Zurückweisung

Ich informiere die Patient:innen bereits im Vorfeld darüber, dass das Angebot eines Erstgesprächs nicht zugleich das Angebot eines Behandlungsplatzes bedeutet. Damit habe ich eine Mitarbeiterin meiner Praxis beauftragt, die während meiner telefonischen Sprechzeiten die Aufgabe der Terminvergabe übernimmt.

Im Erstgespräch achte ich besonders darauf, ob ich einen emotionalen Zugang zum/zur Patient:in finde. Wenn es mir schwer fällt, meine:n Patient:in zu „mögen“, was ein sehr subjektiver Aspekt in der ersten Begegnung ist, versuche ich herauszufinden, ob ich wenigstens einen positiven, mitfühlenden oder emotional offenen Zugang finde, wenn ich mir jemand als Kind oder Jugendliche:r vorstelle. Sie merken, dass hier bereits sehr subjektive Kriterien zum Ausdruck kommen, aber genau darum geht es bei diesem Prozess.

Wenn ich dabei zu einem positiven Ergebnis gelange, frage ich mich als Nächstes, ob sich jemand gemäß der oben beschriebenen Unterscheidung hinsichtlich der Neigung zu Externalisierung vs. Internalisierung für mein therapeutisches Angebot interessieren könnte, ob also eine verfahrensbezogene Passung vorhanden ist bzw. entstehen könnte.

Bin ich im Gespräch (ohne dass ich bisher davon etwas explizit angesprochen haben muss) an diesem Punkt angelangt, ist meine Entscheidung meistens bereits soweit gereift, dass ich zu einer guten Einschätzung gelangen kann.

Das ist nicht Ihr Fehler – Wie formuliere ich meine Einschätzung, dass die Passung fehlt, wertschätzend?

Ich betrachte eine wertschätzend kommunizierte Zurückweisung als Ausdruck von Transparenz und Offenheit sowie als Teil einer Haltung, bei der Achtung und Respekt vor der Eigenständigkeit meiner Patient:innen die oberste Priorität haben.

Manche Patient:innen erkennen das im Moment der Zurückweisung nicht, was sich nicht immer vermeiden lässt. Maßgeblich ist für mich jedoch, ob ich bei selbstkritischer Einschätzung zu dem Ergebnis komme, dass ich mich darum bemüht habe.

Das versuche ich zum Beispiel durch eine der folgenden Formulierungen zum Ausdruck zu bringen, die ich abwechselnd verwende und auf die jeweilige Situation anpasse (Unterstreichungen stehen für Betonungen):

  1. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass ich Ihnen mit den mir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten kein gutes und Erfolg versprechendes Behandlungsangebot machen kann.
  2. Nach meiner Einschätzung werden Sie eher von einem Therapeuten profitieren, der Ihnen mit konkreteren Ratschlägen und Empfehlungen begegnet, als ich es üblicherweise tue. Das trägt voraussichtlich schneller und besser zu einem Behandlungserfolg bei, als es bei mir möglich ist und mit dem Behandlungsverfahren, das ich Ihnen anbieten kann, zu erwarten ist.
  3. Ich glaube, dass Ihnen eine andere Therapeut:in besser helfen wird, als es mir möglich ist. Es tut mir leid, dass ich Ihnen deswegen keine Behandlung anbieten kann. Ich denke jedoch, dass das trotz der Enttäuschung, die damit verbunden sein kann, eine bessere Entscheidung ist, als im Nachhinein feststellen zu müssen, dass wir uns mit unserer Entscheidung füreinander geirrt haben.

Probatorische Sitzungen, Probetherapie und zeitliche Begrenzung im Falle schwerwiegender Zweifel

Mitunter kommt es vor, dass ich trotz meiner schwerwiegenden Zweifel eine:n Patient:in nicht abweisen will. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn ich zwar den Eindruck habe, dass eine gute Beziehung zustande kommen kann, aber nicht sicher bin, ob eine analytische oder tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie wirklich geeignet sein kann.

Dann biete ich jemand an, diese Frage innerhalb einer kurzen Zeit und über eine begrenzte Anzahl von Stunden miteinander herauszufinden.

Dazu dient dann entweder die Probatorik oder auch eine Krisenintervention in Form der Akutbehandlung bzw. einer Kurzzeittherapie.

Dieses Vorgehen werden Sie kennen und auch in einer Weise handhaben, die Ihren jeweiligen Möglichkeiten entsprechend entweder einen dafür vorgesehenen Platz in Ihrem Wochenplan nutzt, oder mit der Flexibilität wechselnder Stunden im Terminkalender Lücken füllt, die durch Krankheitsausfälle oder Urlaube entstehen.

Diese Lösung wähle ich nie, wenn ich das Gefühl habe, Patient:in und ich passen nicht zusammen. Ich habe regelmäßig die Erfahrung gemacht, dass das schief geht. Und das bedeutet dann auch für meine:n Patient:in, dass ein Problem, das ich zu vermeiden versuchte, lediglich verlagert und oft sogar verschlimmert wird.

Nicht nur die zur Verfügung stehenden Stunden werden dadurch aufgebraucht, auch die Möglichkeit einer KZT ohne Gutachterverfahren kann damit verloren gehen. Das empfinde ich als unfair den Patient:innen gegenüber.

Diese Einschätzung hilft mir selbst mitunter, meine Entscheidung gegen ein Behandlungsangebot frühzeitiger zu stellen. Ich betrachte die Situation dann auch aus der Sicht der Patient:innen unter Berücksichtigung späterer Folgen, die sich negativ auf deren Vertrauen in die Psychotherapie generell oder in „die Welt“ bei einigen Formen des eher extern motivierten Krankheitskonzepts auswirken können.

Accordion content.

2 Gedanken zu „Passung in der Psychotherapie – Wie spreche ich mit Patient:innen im Erstkontakt, wenn sie fehlt?“

  1. Eine zentrale, für die Bahnung einer therapeutischen Arbeitsbeziehung grundlegende Grundvoraussetzung, die Sie hier mitteilen. Auch oder gerade wenn dieser initiale Störfaktor über das Zustandekommen oder Nicht Zustandekommen einer therapeutischen Allianz entscheiden sollte erscheint mir die sehr umsichtig formulierte Begründung einer ablehnenden Mitteilung an den anderen als unverzichtbares Element in der Frühphase der Kontraktbildung. Ich danke für diesen reflektierten Beitrag.

    Antworten

Schreiben Sie einen Kommentar