Ausbildung von Psychotherapeut*innen in Onlineseminaren – geht das?

In diesem Beitrag beschäftige ich mich eingehender mit der Frage, wie sich Onlineseminare für Psychotherapeut*innen in der Aus- und Fortbildung nutzen lassen. Ich diskutiere die Vor- und Nachteile digitaler Lehrangebote und die Schwierigkeiten, vor denen insbesondere psychotherapeutische Ausbildungsinstitute stehen, wenn es um die Implementierung solcher Onlineseminare für Psychotherapeut*innen geht.

Studierende können heute in der Regel mit Hilfe sogenannter Intranets oder ‚CampusNets‘ auf virtuelle, audiovisuelle Medienbibliotheken zugreifen. Sie können sich online für Seminare anmelden oder Prüfungsergebnisse in einer Datenbank nachsehen.

Auch die konkrete Wissensvermittlung durch Onlineseminare oder

Learning Management Systems (LMS)

wird immer verbreiteter. Mit Hilfe von Videos, interaktiven Internet-Seiten oder Kursangeboten in geschützten Bereichen werden digitale Medien intensiver in die Lehre einbezogen.

Was an vielen Universitäten mittlerweile zum Standard gehört, ist jedoch an Ausbildungsinstituten für Psychotherapeut*innen immer noch eine Seltenheit.

Warum müssen Teilnehmer*innen psychotherapeutischer Ausbildungen oft auf Onlineseminare verzichten?

Psychotherapeutische Ausbildungsinstitute tun sich mit der digitalen Aufbereitung ihrer Vorträge, der Nutzung medial gestützter Lernumgebungen oder gar mit ausschließlich online angebotenen Lehrveranstaltungen noch schwer.

Das liegt nicht zuletzt an den Besonderheiten therapeutischer Aus- und Weiterbildungen:

Besonderheiten der Wissensvermittlung in psychotherapeutschen Aus- und Weiterbildungen

    • Fallbesprechungen dienen der Illustration theoretischen Wissens. Dabei muss die Schweigepflicht berücksichtigt werden. Das gilt in besonderem Maße, wenn Seminare mit medialer Unterstützung verbreitet werden, was die Veranstalter*innen oft vor Schwierigkeiten stellt.
    • Viele Sachverhalte müssen diskutiert werden, damit sich das Lernmaterial erfolgreich erschließen lässt. Das gilt zum Beispiel für die Vermittlung von Behandlungstechniken und Differentialindikationen für verschiedene Behandlungsverfahren. Damit stellt sich aber die Frage, wie sich digitale Kommunikationsmittel in die Wissensvermittlung und Erfahrungsbildung einbinden lassen.
    • In vielen Fällen werden therapeutische Aus- und Weiterbildungen nicht nur als Frontalunterricht, sondern in Form von Arbeitsgruppen angeboten. So haben die Seminare einen anderen Charakter als Vorlesungen an der Universität, die oft einfach nur „abgefilmt“ werden müssen, um die so erstellten Videos danach im Internet bereitzustellen. Doch wie kann eine entsprechende Aufbereitung des Lernstoffs erfolgen, damit Online-Seminare einen wirklichen Nutzen für das Institut und seine Ausbildungsteilnehmer*innen haben?

Innovationen scheitern oft besonders dann, wenn es an Erfahrung mit der Umsetzung mangelt, und ein großer zeitlicher oder finanzieller Mehraufwand anfällt, dessen Nutzen schwer abzuschätzen ist. 

Der Umgang mit digitalen Medien erzeugt Unsicherheit und ist von Vorbehalten geprägt. Die Angst, sich unbeholfen zu fühlen und damit bloßstellen zu können, hemmt die notwendige Neugier, sich mit der faszinierenden Welt digitaler Medien vertraut zu machen.

Diese Hindernisse überwindet nur, wer sich einen großen Nutzen erhofft, der den Aufwand und die Überwindung rechtfertigt.

Worin soll der Nutzen von Online-Seminaren liegen?

Universitäten und Fortbildungsinstitute in anderen Fachgebieten haben gegenüber vielen psychologisch-psychotherapeutischen Ausbildungsinstituten einen Vorsprung. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich für diese Bildungseinrichtungen ein rasch ersichtlicher, messbarer Nutzen bildet.

Folgende Vorteile liegen auf der Hand:

  • ein wirtschaftlicher Vorteil gegenüber der Konkurrenz durch höhere Attraktivität für Absolvent*innen, für die die Teilnahme an Seminaren von zuhause aus von Vorteil ist (z.B. Alleinerziehende, Absolvent*innen mit weitem Anreiseweg, ganztägig Berufstätige)
  • mittel- bis langfristige Einsparungsmöglichkeiten, weil einmal erstellte Seminare, die z.B. im Selbststudium am Computer absolviert werden, einen geringeren Betreuungsbedarf haben und nur geringe Kosten im weiteren Betrieb verursachen
  • die digitale Bereitstellung von Lernmaterial kann zu einer Entspannung in Situationen führen, in denen begrenzte räumliche oder zeitliche Ressourcen zu Engpässen im Ausbildungsablauf führen
  • selbstbestimmtes Lernen wird insbesondere für jüngere Absolvent*innen attraktiver, wenn dadurch der Zusammenhalt in der Absolvent*innengruppe und der Kontakt zum Dozent*innen zwischen den Veranstaltungen nicht verloren geht, und die gemeinsame Bearbeitung von Lehrstoff in geschützten virtuellen Räumen für Studiengruppen eine größere zeitliche Flexibilität ermöglicht

Falls sich einer oder mehrere der eben genannten Vorteile auch für Ihr Ausbildungsinstitut ergeben könnte, bleibt aber dennoch die Frage, wie sich dieser Nutzen mit einem gerechtfertigten Aufwand erreichen lässt.

Unser Institut will Online-Seminare anbieten. Worauf müssen wir achten?

Zunächst empfiehlt es sich, einen gemeinsamen Abstimmungsprozess in der Gruppe der Lehrverantwortlichen zu initiieren. So werden im Falle einer Umsetzung alle am gleichen Strang ziehen – und möglichst noch alle am selben Ende dieses Stranges.

Sie werden dabei klären, welche Ziele Ihr Institut mit der Verwendung digitaler Medien erreichen möchte.

Anhand eines konkreten Zielkatalogs lässt sich der Umfang der erforderlichen Maßnahmen leichter abschätzen. Sicherheitsfragen werden eingrenzbarer. Wenn es um den Schutz sensibler Daten geht, empfiehlt es sich, einen Fachmann zu Rate zu ziehen, der Ihnen eine bedarfsgerechte Lösung vorschlagen kann.

Wenn Sie zum Beispiel Fallmaterial verwenden möchten, rate ich Ihnen, genaue Richtlinien für Ihre Dozenten festzulegen, wie eine Anonymisierung erfolgen muss, damit eine Wiedererkennung auch durch die beteiligten Personen selbst mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Zusätzlich sollten Sie erwägen, die digitalen Bereiche, in denen Fallmaterial verwendet werden soll, nur Personen zugänglich zu machen, die Sie eindeutig identifizieren können.Die Einrichtung solcher Schutzvorkehrungen ist für Fachleute kein Problem. Sie bedarf lediglich besonderer Maßnahmen, die nicht in jedem Fall notwendig sind.Welches Maß an Sicherheit Sie benötigen, richtet sich nach der Sensibilität der Daten, die Sie verwenden.

Die Einrichtung solcher Schutzvorkehrungen ist für Fachleute kein Problem. Sie bedarf lediglich besonderer Maßnahmen, die nicht in jedem Fall notwendig sind.Welches Maß an Sicherheit Sie benötigen, richtet sich nach der Sensibilität der Daten, die Sie verwenden.

Anschließend gilt es, Wissenslücken über die Möglichkeiten der digitalen Vermittlung von Lerninhalten zu schließen, und Vorurteile gegenüber digitalen Medien und deren Verwendung aufzudecken, die einer erfolgreichen Realisierung Ihrer Pläne entgegenstehen können. Eine gemeinsame Bewältigung dieser Vorurteile wird dadurch erleichtert, dass erste eigene Erfahrungen das Vertrauen in die Möglichkeiten der digitalen Vermittlung wachsen lassen.

Online-Seminare

Besuchen Sie doch einmal gemeinsam eines der vielen, mittlerweile kostenlos oder auch preiswert bezahlbaren Online-Seminar-Portale wie Udemy oder Udacity. Lassen Sie sich von Fachleuten demonstrieren, welche technische Möglichkeiten es gibt, um Lerninhalte medial aufzubereiten. Vielleicht gibt es eine Universität in Ihrer Nähe, die entsprechende Fachleute beschäftigt, die Sie einladen könnten?

Dann wäre als Nächstes eine Bestandsaufnahme sinnvoll. Dabei können Bedürfnisse und besondere Umstände in Ihrem Ausbildungsinstitut geklärt werden, und welche Vorteile sich für Sie aus der Verwendung digitaler Medien ergeben sollen. Nur wenn diese beiden Aspekte ausreichend untereinander kommuniziert werden, kann ein solches Vorhaben gelingen.

Ein Gesamtplan für die Umsetzung wird für ein mehr als nur rudimentäres Online-Angebot unumgänglich sein. Dabei gilt es, sowohl eine inhaltliche Ausrichtung der geplanten Angebote zu umreißen, als auch die Plattform zu entwerfen, über die die Lerninhalte digital angeboten werden sollen – also über ein eigenes Kursangebot in Form einer Webseite, ein Lösungspaket eines Technik-Anbieters, oder eine integrierte Social Media-Lösung wie die Verwendung von geschlossenen Facebook-, Yahoo- oder Google-Groups, etc.

Vermutlich wird spätestens zu diesem Punkt eine eingehende Beratung hilfreich sein, über die Sie sich fehlendes Know How einholen und die richtige Reihenfolge notwendiger Schritte festlegen können.

Nichts spricht meines Erachtens jedoch dagegen, so bald wie möglich auch einmal selbst zu experimentieren. Im Gegenteil: Vieles spricht dafür, um sich selbst eine gute Grundlage für zukünftige Entscheidungen zu schaffen.

Damit könnten Sie ein Gefühl dafür kriegen, was Ihr Institut schon aus Bordmitteln, also mit eigenen personellen Ressourcen auf die Beine stellen kann, und wo Sie Profis engagieren müssen. So manche*r Hobby-Filmer*in hat zuhause ein durchaus taugliches Equipment, um einen Digital-Film zu drehen, mit dem sich vernünftig arbeiten lässt. In jedem Fall steigt dadurch bereits vor dem eigentlichen Startschuss die Motivation, sich an der Erstellung eines Onlineseminars zu beteiligen.

Und Spaß machen soll ein solches Vorhaben schließlich auch.

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